Werktags von 07:00 – 12:00 und von 13:30 – 19:00
Sie wußte nicht genau warum ihr gerade heute das Schild in die Augen sprang. Schließlich sah sie es jeden Tag. Aber heute bemerkte sie das Schild und etwas, ein Gedanke lies sie stutzen. Sie konnte nicht genau sagen welcher, aber das weiße Schild mit roter Schrift, welches an einem Eisenkettchen hing erregte auf einmal ihre Aufmerksamkeit. Sie bückte sich hinunter und schaute es noch einmal an.
Die metallene Fläche war etwas zerkratzt und verbeult, allerdings nur schwach, so daß nie ein Grund bestanden hätte ein neues zu kaufen. Es war auch weniger das Aussehen, daß sie irritierte, als viel mehr der Inhalt, der ihr Interesse weckte.
Es war jetzt 06:15.
Sie stellte sich wieder gerade hin, langte in ihre Hosentasche und kramte umständlich den Ladenschlüssel hervor. Über die Jahre schienen die Hosen eingelaufen und enger geworden zu sein. So war der Schlüssel fest verkeilt zwischen zwei Speckröllchen und lies sich nur mit einigem Kraftaufwand bewegen.
Endlich. Hervorgeholt steckte sie ihn ins Schloß, drehte ihn zwei mal um seine Achse, zog die Tür dann erst zu sich heran, drehte den Schlüssel noch ein Stück und stemmte sich dann mit aller Wucht gegen die Tür.
Wie viel würde noch mal die Überholung des Eingangs kosten?
Die Tür flog auf und gleichzeitig klingelten die beiden Glöckchen, die am Rahmen hingen.
Sie trat ein und begann ihr morgendliches Ritual.
Im Halbdunkel trat sich zielsicher in einen kleinen Nebenraum, schaltete die transportable Herdplatte an, nahm einen Topf, ging damit zur Toilette und füllte ihn mit Wasser, ging zurück und stellte ihn auf die nun schon warme Platte. Dann fischte sie aus dem obersten Regal ihre Tasse, eine Dose und die Packung Indian Spirit, schüttelte sich eine Zigarette raus und zündete sie an.
Dieser erste Zug war herrlich. Sie schaute ihrem Qualm nach, wie er sich langsam im Zwielicht verlor.
Mit der Kippe im Mund zog sie die Rollläden hoch und packte danach sämtliche Werbe - und Zeitungsständer auf den Bürgersteig.
Das Wasser blubberte.
Sie öffnete die Dose, schüttete etwas Instantkaffee in die Tasse und goß sie mit dem Wasser auf.
Dann lehnte sie sich an die Ladentheke. In der linken linken dampfte der Kaffee, rechts die nächste Kippe.
Jeden Morgen stand sie so da, jeden Morgen in völliger Ruhe, wartend, bis der Zeitungsmensch kam und ihren Laden mit Packen neuester Nachrichten, bunter Seiten aus dem Leben, mit Krieg und Nöten, mit aufsehenerregenden Schlagzeilen, mit Groschenromanen und Comics füllte.
Dann würde sie einräumen, ihren Rücken verfluchen, alles nett sortieren und die meißt gefragten Blätter hübsch auf der Ladentheke ausbreiten.
Vielleicht lag es an dem großen Laster, der vorbei fuhr, vielleicht schaute sie auch nur durch Zufall zur Tür, jedenfalls blieb ihr Blick wieder am Schild hängen.
Jetzt sah sie es von hinten, grau und matt war es. Was war denn heute damit? Hatte sie davon geträumt? Und wenn schon, sie konnte sich seid Jahren an keinen Traum mehr erinnern. Sie schlief wie ein Stein. Um zehn machte sie die Augen zu, um fünf Uhr dreißig wieder auf. Dazwischen war nie etwas. Als sie jünger war, hatte sie schon noch geträumt. Sie hatte als Kind immer geschwebt, danach fand sie sich auf dem Boden wieder. Später wurden sie unterschiedlich, mal wild, mal wunderschön, mal wachte sie nachts angstvoll auf. Das nahm dann überhand. Ja richtig, eine zeitlang hatte sie sich regelrecht mit Schlafstörungen rumgequält. Doch irgendwann war es vorbei gewesen. Als hätte sie beschlossen aufzuhören.
Das Schild bewegte sich und klapperte ans Glas, der Kurier klopfte kräftig an die Tür.
06:43
Alles lag bereit, wie immer. Der Tag konnte beginnen.
Zeit für den nächsten Kaffee. Gerade als sie den Löffel in das braune Pulver tauchte, klingelten die Glöckchen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Seltsam. Hatte sie nicht wieder abgeschlossen? Sie lies den Löffel stecken und lugte in den Laden.
„Wir haben,...“
Sie sah niemanden.
„Hallo?“
Sollte etwa?
Sie ging hinter die Theke und beugte sich darüber. Leer. Kein Mensch da. Aber wäre derjenige wieder raus gegangen, hätte es zwei mal geklingelt. Sie schaute zu den Glöckchen. Zitterten sie?
Sie drückte die Klinke hinunter. Zu. Vielleicht war es der Wind?
Draußen strahlte die Morgensonne auf die obersten Fensterreihen gegenüber und kein Blatt rührte sich.
Vielleicht hab ich mich verhört. Hm.
Sie stutzte noch eine Sekunde, schüttelte den Kopf und beendete ihr Kaffeeritual.
Der Morgen verlief ansonsten ruhig und so wie sie ihn gewohnt war. Die Stammkundschaft kam, kaufte die üblichen Exemplare und im Laufe des Vormittags verlor sich langsam das Licht der stetig steigenden Sonne im vorderen Teil des Raumes, bis es schließlich nur noch eine schmale, helle Linie auf der Auslegeware und dem Boden vor der Tür war. Der Rest des Raumes verschwand dagegen im stickigen Dunkel.
So mußte ihr Blick zum Schild gelenkt werden, ja er wurde regelrecht angezogen, als hätte jemand mit leuchtendem Textmaker eingekreist und noch rundherum Pfeile gemalt, um zu sagen: da, da, wichtig, wichtig. Löse das Rätsel, dies ist der erste Hinweis.
Verdammt noch mal, vielleicht wurde sie auch langsam wirr im Kopf. Sie war 47 Jahre alt, träumte nachts nicht mehr, tat hier seid 12 Jahren ihre Arbeit, rauchte seid nicht viel kürzer eine Packung am Tag (erst Marlboro, seid ein paar Jahren Indian Spirit, das klang zumindest viel versprechender), trank gut und gerne ihre 4 – 6 Tassen Kaffee am Tag, lebte in einer Einraumwohnung um die Ecke und kannte sich, dank ihres Berufes gut im Welt und Klatschgeschehen aus. Und das war immer ganz normal gewesen, alles. Nie wurde sie gezwungen sich darüber Gedanken zu machen.
Und heute? Da war auf einmal alles so komisch. Dabei war ja nicht mal etwas passiert.
Sie hatte nur den Eindruck, daß etwas anders war.
Bis auf das Klingeln der Glöckchen heute morgen. Das war seltsam.
„Hi.“Die Worte schreckten sie auf, als hätte jemand mitten im Schlaf eine Handgranate neben ihrem Bett gezündet. Ihr ganzes Ich erbebte förmlich.
Vor ihr stand ein junger Mann, mit kaffeebrauner Haut, langen Rastas und Augen, deren unergründlich warmes Dunkel alles in sich sog, wie ein schwarzes Loch Sterne in der Galaxie.
Du meine Güte.
Hatte sie nicht die ganze Zeit hinausgestarrt? Sollten die blöden Glöckchen ausgerechnet jetzt ihren Dienst versagt haben?
„Ja, bitte?“ stammelte sie zurück.
Verlegen schob er seine Mundwinkel zu den Ohren und entblößte zwei Reihen so perlweißer Zähne, daß jede weitere Beschreibung nur in Kitsch und Übertreibung ausarten würde.
Er langte mit der Hand in die tiefsitzende Jeans und holte ein kleines, weißes Zettelchen hervor, daß er vor sie auf den 'Spiegel' legte.
Sie sah auf das Zettelchen, dann in sein Gesicht. Er kratzte sich an der Nase, schob seinen Kopf kurz nach vorne und wieder zürück und zog dabei die Augenbrauen hoch. Erwartungsvoll blickten die Vertrauen erweckenden Augen in die ihren.
Damit sie nicht Gefahr lief den Halt zu verlieren, griff sie das Zettelchen und entfaltete es.
'Sinum Nr. 31' stand darauf. Sie ging in die hinterste Ecke, bückte sich ganz nach unten und kramte unter einem Stapel 'Fasten heute' eine Zeitschrift mit dickem, hochglänzendem Papier hervor. Sie verglich die Nummer auf dem Cover mit der auf dem Zettelchen und reichte beides dem Mann.
„Neunwanzig.“
Er faßte sich mit Daumen und Zeigefinger ans Nasenbein und schien kurz zu überlegen. Dann erhellte sich seine Miene und aus der Hinterntasche zog er einen Zehn Euro Schein hervor.
Sie nahm ihn entgegen und gab ihm achtzig Cent Wechselgeld.
Abermals traten die unverschämt weißen Zähne hervor und mit einer kleinen Verbeugung drehte er sich um und verschwand aus dem Laden.
Erst nach dem dritten, tief inhalierten Zug, holte sie sich eine andere Sinum.
Welchen Artikel konnte er darin lesen wollen, nachdem er augenscheinlich kein deutsch sprach? Vielleicht war er auch einfach stumm? Hm.
Sie konnte sich nicht erinnern jemals diese Zeitschrift durchgeblättert zu haben.
Es war offensichtlich eine Kunstzeitung mit Veranstaltungstips und Reportagen über Künstler, Ausstellungen, Vernissagen, Galerien, etc.
Alles etwas, von dem sie so gar nichts verstand.
Aber wenn dieser Mann kein deutsch konnte, wie wollte er dann die ganzen Termine lesen?
Hm.
Sie hatte ja Zeit. Sie blätterte.
Was waren den Lithographien?
„Innovation und Interaktionismus. Kulturvertausch. Bennie Hallerstedt.“
Waren das wohl auch Bilder?
„Sehend hören. Erblinden tauben. Alle Sinne beisammen.“
Ob die wohl selber wußten, was sie meinten?
„Egg attack. Women beat the sperm.“
Eieiei.
„Philosophischer Gigantismus. Körpersprachliches Gegenstück zur Ellipse. Kuno von Fahrenzirk.“
Und „Zerbo Zannotkaij. Badeauslegercollagen; Linoleum als Ausdruck der Sinnlichkeit.“
Weitere Maler folgten mit den unterschiedlichsten Themen.
Dann kamen die Fotografen.
„Die Linse der Welt. Der Fuß als Symbol des Lebenswegs.“
Sie haßte Füße. Die meißten jedenfalls. Sie sahen einfach eklig aus. Und die Vorstellung sich 250 Fotos nur mit Füßen anschauen zu müssen? Brrrrr.
„Wir durch die Welt. Nichteuropäische Künstler zeigen uns durch ihre Augen.“
Wie? Ach so.
„Mbgnambi Odenigbo. Ein Afrikaner im Osten.“
Ob der die Plattenbauten wirklich anders sah als wir?
„Uguustaami Laangsaatiki“
Welch ein Name.
Uguhusa.. Ugustami Langsatki, ne Ugu, ... hm.
„Werktags. Unser uns so alltäglicher Wahnsinn kindlich erforschend festgehalten durch die Linse des Halbindianers, Halbafrikaners. Uns werden die Augen aufgehen.“
Darunter eine Kritik, eines seiner Bilder und ein Foto des Künstlers.
Da war es wieder. Das Gesicht. Diese unendlichen Augen und ein scheues Grinsen.
Der kaffeebraune Mann von vorhin. Er war also selbst Künstler. Fotograf.
„Kulturgarten. Öffnungszeiten 10:00 – 20:00“
Der Garten war gar nicht weit. Sie schaute auf die Uhr. 11:48.
Perfekt. Sie würde heute Mittag eine Fotoausstellung besuchen!
12:13
Der Raum war kühl, dank Klimaanlage und vor allen Fenstern waren die Jalousien herunter gelassen. Indirektes Licht und Punktstrahler sorgten für die perfekte Beleuchtung.
Es waren mehrere Säle, die mit Fotos gefüllt waren.
Am Eingang lag ein Prospekt mit einem Portrait des Künstlers. Sie nahm es mit.
Sie ging zum vordersten Bild. Auf den ersten Blick eine gänzliche normal Situation. Menschen stiegen in eine U – Bahn. Und dennoch wirkte es ungewohnt, da es in zwei Ebenen eingeteilt war. Rechts das U – Bahn Innere, mit wartenden und sitzenden Menschen und links der Bahnsteig mit rennenden und laufenden Personen. Der Fotograf mußte genau in der offenen Tür gestanden haben. Ein schöner Kontrast. Links rennen die Menschen und rechts warten sie. Dabei sind sie räumlich kaum voneinander getrennt.
Erwartungsvoll ging sie zum nächsten Bild.
Wieder U – Bahn, diesmal nur anders herum und doch nicht. Links rennen, rechts warten. Nur das links diesmal die Bahn war. Er mußte ausgelöst haben, kurz bevor der Erste einen Schritt aus der Bahn getan hatte. Das erste Bild war wohl dann morgens, das zweite abends.
Wirklich erstaunlich. Sie sah die Gleichheit und auch die Komik in diesen Szenen:
Wie auf Knopfdruck, morgens rein, abends raus, alle gleich.
Begeistert ging sie weiter und betrachtete die nächsten Bilder. Auf einmal spürte sie eine Hand auf ihrem linken Arm. Erschrocken fuhr sie herum. Und wieder hatte er sich völligst lautlos genähert. Warum erschrak er sie andauernd? Wieso erschrak sie nur immer so?
Und auch dieser Blick von ihm. Er schien alles zu erkennen. Er lächelte sie wieder an.
„Hallo,“ sagte sie. Aber was sollte sie schon sagen? Er konnte schließlich kein deutsch und weshalb nahm er dann Kontakt auf? Hatte er womöglich nur diese Zeitung gekauft, damit sie hierher kam?
„Ähm, gute Fotos,“ sagte sie und zeigte dabei auf das neben ihr hängende und formte Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis.
Er verbeugte sich dankend und schloß dabei kurz die Augen. Dann steckte er seinen Arm in Richtung des nächsten Raumes aus und legte den Kopf schief. Unverkennbar die Bitte ihr zu folgen.
Sie lächelte, nickte und folgte ihm.
Viel war nicht gerade los, etwa 10 weitere Besucher befanden sich noch in der Ausstellung.
Sie gingen durch zwei weitere Räume durch zur hinteren Wand, an deren rechter Ecke sich eine unauffällige, weiße Tür befand. Sie traten ein und befanden sich nun in einer Art Aufenthaltsraum.
Dort stand ein Tisch, eine kleine Küchenzeile, ein halb voller Aschenbecher und ein paar Zeitschriften und Umschläge lagen auf dem Tisch.
Nun wurde ihr doch etwas komisch. Warum nahm sie dieser junge Künstler mit durch seine Ausstellung und dann in einen separaten Raum? Er würde ihr wohl kaum gleich die Kleider vom Leib reißen, oder sich als ihr Halbbruder herausstellen. Was konnte er überhaupt von ihr wollen? Er zeigte auf einen Stuhl und sie setzte sich.
Unter dem Fenster standen ein paar Bilderrahmen. Er kniete sich hin und ging einen nach dem anderen durch. Dann holte er einen hervor und lehnte die anderen wieder an. Er legte ihn vor sie auf den Tisch. Jetzt sah sie, daß sich auch darin ein Foto befand.
Und was für ein Foto.
War ihr bis eben der Tag noch etwas seltsam vorgekommen, so war sie sich nun sicher, daß dem so war.
Natürlich zeigte das Foto ihren Laden. Natürlich sah man das Schild darauf. Und auch noch sie selbst!
Sie saß auf den Stufen vor der Tür und rauchte, geblendet von der Sonne.
Man sah fast den ganzen Laden, die Zeitschriften im Schaufenster, den Zeitungsständer und die Werbeschilder auf dem Bürgersteig.
Ihr Kiosk befand sich an einer Straßenecke und somit konnte man im rechten hinteren Bildteil noch die Uhr erkennen, die vor dem U – Bahn Eingang stand. Sie zeigte 13:27. Nicht viel später, als gerade jetzt.
Sie starrte auf das Bild, unfähig sich davon zu lösen.
Diesmal erschreckte er sie nicht. Im Augenwinkel nahm sie wahr, wie er zur Kaffeemaschine ging und etwas von dem Inhalt in eine kleine Tasse goß.
Er drehte sich um und blieb neben ihrem Stuhl stehen.
Der Duft des Kaffees lies sie leicht ihren Kopf heben. Dankbar nahm sie die Tasse an. Vor 13:30 würde sie nun sowieso keinen mehr schaffen.
Scheiß 13:30. Scheiß Pause.
Er ging abermals zur Küchenzeile und holte auch sich einen Kaffee. Dann gab er Milch und Zucker hinein und setzte sich ihr gegenüber.
Was wollte er eigentlich? Ihr zeigen, wie beknackt ihr Leben war? Das sie ihre freien Minuten mit Rauchen und Warten auf die Öffnungszeiten verbrachte? Daß sie seid 12 Jahren große und kleine Weltgeschichten verkaufte, selber jedoch am Leben schon lange nicht mehr teilnahm?
Was bildete er sich überhaupt ein? Wie konnte er es wagen über sie zu urteilen? Wie konnte er sie nur so schlecht machen?
Ihr blödes Öffnungszeitenschild war tatsächlich der Mittelpunkt dieses Bildes. Ihres ganzen Lebens.
Was konnte einer vom anderen Ende der Welt schon verstehen, von ihrem Leben?
Für ihn sah das hier bestimmt alles aus wie im Paradies. Na klar. Er wurde sicherlich gefördert mit Stipendien, aber konnte er wissen, wie das war, nichts gelernt zu haben? Pah. Hätte sie damals zur Fotokamera gegriffen, die hätten sie ausgelacht.
Er machte sich bestimmt lustig über alle, die wie Maschinen in U – Bahnen ein und ausstiegen und jeden Tag regelmäßig ihre Arbeit machten.
Bestimmt schüttelte er arrogant den Kopf über so ein monotones Leben. Wer gab ihm das Recht dazu? Und jetzt verdiente er auch noch mit dieser Arroganz Geld, das ihr immer so knapp war. Was für ein Arsch! Und jetzt nahm er sie auch noch mit hierher, um ihr das zu zeigen!
Sie schaute hoch und hoffte im nächsten Moment inständig nicht laut gedacht zu haben.
Er sah nicht überheblich aus und schon gar nicht schadenfreudig. Vielmehr grinste er unsicher.
Und fragend.
Er sah auf einmal kleiner aus und schien zu ihr hochzublicken. War da nicht sogar Angst dabei? Nein, aber Respekt.
Ja, dieser junge Mann brachte ihrem Leben Respekt gegenüber. Er hatte sich nicht darüber lustig machen wollen. Er sah in dieser Situation nichts schlechtes.
Sie selbst hatte es gesehen.
Sie lächelte ihn an und nickte einige Male.
Er stand auf und verbeugte sich, wobei er abermals kurz die Augen schloß.
Dann nahm er das Bild und hielt es ihr hin.
Oh nein.
Sie schüttelte den Kopf. Er hielt es ihr weiter hin und nickte heftig mit dem Kopf. Niemals.
Bestimmt schüttelte sie den Kopf.
Dann kam ihr eine Idee. Sie schaute sich im Raum um. Wenn der Mann doch Fotograf war...genau, sie hatte recht. Neben der Küchenzeile stand eine graue Tasche. Sie stand auf und ging dort hin. Sie öffnete diese und holte die Kamera heraus. Dann ging sie zum Fenster und stellte sich mit dem Rücken dazu.
Sie lächelte ihn an, er lachte zurück und sie drückte ab.
Dann legte sie Kamera auf den Tisch, nahm einen Umschlag und schrieb eine Adresse darauf.