Mittwoch, 10. August 2011

Herbststurm

Auf einmal wird er duster. Ganz plötzlich. Scheinbar ohne Vorankündigung.
Fallendes Laub wirbelt in der Luft.
Seine Böen jagen los, zerren unbarmherzig an Mantel und Haaren, rauben mir den Atem.
Klatschende Regentropfen nehmen die Verfolgung auf, geben den Rhythmus meiner hetzenden Schritte an.
Von triefenden Gehsteigen, Rutschpartien mit spiegelglatten Blättern, kriecht Nässe die eingeweichten Säume unaufhaltsam nach oben. Wolken, dämonisch tief, kratzen an den Giebeln der Dächer, zwingen mich, die Herrschaft übernehmend, in mein Haus.
Krachend schließt die Tür, gewährt mir zeitweisen Schutz und ein Quäntchen Ruhe, um zur
Besinnung zu kommen.
Der Gasherd zischt und treibt das Wasser in Bewegung. Ein duftendes Kraut entlässt seine
Aromen. Warmes Porzellan belebt meine Hände.
Ich stehe hinter dem Vorhang und blicke nach draußen.
Ist dies der gleiche Himmel, der mich noch vor Wochen strahlend begrüßte? Mich schwärmerisch nach draußen lockte, begierig mich unbekleidet auf grünen Wiesen zu empfangen? Mit feuchter Haut gab ich mich ihm verschwenderisch hin, jede Pore durfte er entdecken, jede meiner Stunden war sein. Ich vernachlässigte die Arbeit, drehte mein Tagewerk um ihn. Ja selbst noch des Nachts hob ich das Glas zum funkelnden Firmament und stieß, mit ekstatischem Genuss und inbrünstiger Hingabe, auf sein Wohl an.
Ins Exil meiner eigenen vier Wände vertrieben, kann ich nun mehr nur vermummt die Straßen betreten, unerkannt von oben, geschützt durch meinen aufgespannten Schirm. Doch dessen Speichenskelett kapituliert nach wildem Kampf und die zerrissenen Fetzen der Bespannung flattern unterwürfig in seinem Wind.
Alle Kraft bietet er auf, duldet mich nicht mehr unter sich, fegt Erde und Luft restlos leer, bis Baumkronen kahl, Vögel von dannen und jedes Tier verkrochen.
Erst dann beruhigt er sich, erst dann legt er eine weiße Decke des Schweigens über sein Werk.
In Erstarrung gezwungen, harre ich unbeweglich, wie tot. Leere Weiten erstrecken sich endlos im zwielichtigen Schein.
In dunkler Ewigkeit erschöpft sich die restliche Zeit.
Nur das Pendel einer Uhr beweist ihren Fortgang, straft jedes Sterben Lügen.
Weit entfernt, hinter den von salzigem Regen blinden Scheiben, ist ein neues, sanftes Strahlen zu erahnen.

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