Die Morgensonne spiegelte sich im Meer, so daß unzählige kleine Lichtpünktchen auf dem Wasser tänzelten und es mit einer goldenen Glitzerschicht überzogen.
Ole lief an der Promenadenmauer entlang, auf dem Weg nach Hause, einen groben Jutesack fest an seine Brust gedrückt.
Es war Sonntagmorgen.
Mutter hatte ihn, als es noch fast dunkel war geweckt und ins Bad gescheucht, damit er sich das Gesicht und die Hände wusch. Auf dem Wannenrand hatte seine Sonntagskleidung gelegen.
Als er gerade das Hemd mit dem gestärkten Kragen zuknöpfte, war sie hereingekommen und hatte ihn ermahnt nicht so zu trödeln, man wolle schließlich nicht das letzte, trockene Brot bekommen. Dann hatte sie ihm die Kniestrümpfe hochgezogen und ihm noch mit einem nassen Kamm einen Seitenscheitel gezogen und alle Haare akkurat zur Seite gekämmt.
Dann hatte sie ihm den Jutesack in die Hand gedrückt, ihm einen Kuß auf die Wange gegeben und das Geld in seine Hosentasche gesteckt.
Beim Bäcker hatte er dann doch Schlange stehen müssen und der Duft der frisch gebackenen Brote hatte seinen Magen in lautem Protest knurren lassen.
Meister Simonsen hatte ihm den größten Laib persönlich in die Hand gedrückt und dann verschwörerisch mit dem rechten Auge geblinzelt: „grüß mir deine Mutter, sie soll doch man wieder persönlich vorbei kommen.“
„Mach ich Meister Simonsen. Einen schönen Tag noch.“
Vor dem Laden hatte er das Brot dann in den Jutesack gesteckt und obwohl die Kruste hart war, gab sie beim Anpacken nach, so daß man das warme, weiche Innere darunter erahnen konnte.
Während er am Strand entlanglief, kroch langsam die Wärme des Brotes durch seine Jacke hindurch und breitete sich auf seiner Brust aus.
Sein Magen rumpelte.
Weil Feiertag war, fuhren nur wenige Schiffe auf See, aber er konnte den Ausflugssegler erkennen, in dem die reichen Touristen saßen, um den Morgen auf dem Meer zu genießen. Dort würden sie dann auch Frühstück serviert bekommen, mit Eiern und Schinken und so.
Das hatte er gehört als sich zwei Männer unterhalten hatten. Weiße Anzüge hatten sie getragen, mit dunkelbraunen Lederschuhen und einen gelben Strohhut hatten sie auf dem Kopf gehabt. Geschwärmt hatte der eine, er hätte mit seiner Frau den ganzen Tag auf dem Meer verbracht, das Frühstück sei reichhaltig und ausgezeichnet gewesen, man hätte für sein Geld wirklich etwas bekommen und Nachmittags hätten sie dann noch Fisch gefangen und der sei, frisch wie er war, direkt serviert worden.
Dem gleichen Mann hatte er eine Woche später den Koffer zum Auto getragen (er war tatsächlich mit einem Auto gekommen) und hatte ihm auch noch eine schöne Heimreise gewünscht. Die Frau hatte ihn kaum beachtet, in ihrem geblümten Kleid und der Mann hatte ihm einen Pfennig gegeben.
Dann sind beide in das Auto gestiegen und davon gebraust.
Er konnte sich gut vorstellen, wie es auf dem Schiff zuging. Bestimmt wie in einem Hotel, wie hier in der „Strandvilla“. Die hatte riesige Glasscheiben und hinter diesen befand sich ein Restaurant.
Dort aßen die Gäste zum Frühstück, zu Mittag und zu Abend. Kellner in weißen Hemden und mit einer Fliege, rannten von Tisch zu Tisch und schenkten Kaffee nach, oder brachten vollbeladene Teller.
Sein Magen zerrte sich zusammen.
Er blieb stehen und schaute auf das Meer und auf den Ausflugssegler.
Der Strand war jetzt noch leer, so früh am Morgen, alle Strandkörbe waren nach oben geklappt und standen in Reih und Glied und schauten Richtung Meer.
Um die Körbe waren Wälle aus Sand aufgeschüttet. Die Touristen schaufelten immer Wälle auf, damit jeder wußte, wo ihr Bereich war. Niemand durfte diesen Bereich betreten, wenn er nicht zur Familie gehörte.
Die waren bekloppt die Touristen.
Er legte das Brot auf die Kaimauer, zog seinen linken Schuh aus, dann seinen linken Kniestrumpf, rollte ihn zusammen und legte ihn in den Schuh. Dann machte er das gleiche mit dem rechten.
Dananch stellte er beide Schuhe auf die Mauer, kletterte darüber und nahm Schuhe und Brot und lief barfuß durch den Sand.
Er war noch kühl und ein bißchen feucht von der Nacht.
Er ging zur ersten Reihe der Körbe und trampelte einen ganz besonders akkurat aufgeschütteten Wall nieder.
Dann legte er Brot und Schuhe auf die Bank in den Korb und setzt sich daneben.
Die Sonne schien ihm direkt in Gesicht.
Er packte das Brot aus und legte es auf seinen Schoß.
Es war oval, dunkelbraun und mit Mehl überzogen. Zwei tiefe Furchen zogen sich wie ein Kreuz über die Kruste.
Die hatte der Bäcker vor dem Backen eingeritzt, Oma machte das auch so, wenn sie mal zu Hause buk. „Damit es nicht platzt“ hatte sie geantwortet, nachdem er sie nach dem Grund gefragt hatte.
Er hielt sich den Laib unter die Nase. Er duftete phänomenal.
Etwas rauchig, rund und voll.
Er roch nach „ich mach dich satt“, nach Zufriedenheit, nach Wohlfühlen.
Er roch auch nach dicken Backen, die die weiche Masse zerkleinern, nach heißer Schokolade, die sie durchspült, nach Oma, die das Brot erst in Kaffee tunkt bevor sie es dann mit den Lippen abbeißt und es dann laut schmatzend aussaugt.
Er roch nach einer dicken Schicht Butter, die hell glänzend auf ihm liegt. Nach würzigem Schinken, der zart ausgebreitet auf dieser liegt. Nach weißen Zähnen, die in all das hineinbeißen und dann kauen, lange kauen und eine Zunge, die jeden Geschmack in sich aufnimmt, den salzigen und fettreichen des Schinkens, den kühlen, schmalzigen der Butter und den weichen, ursprünglichen des Brotes.
Er öffnete den Mund und biß in das Brot.
Die Kruste knackte laut, als seine Zähne sie durchbrachen. Innen war es warm. Er kaute und seine Muskeln mußten sich anstrengen den harten Teig klein zu kriegen. Doch an der Stelle, an der er abgebissen hatte, dampfte es noch und der hellbraune Kern kam zum Vorschein.
Er biß abermals in das Brot und hatte nun auch das weiche, warme Innere im Mund.
Er schloß die Augen und schmeckte das Brot. Er kaute und drückte es und lies es so lange im Mund, bis fast nicht mehr da war, dann erst schluckte er es runter.
Er aß und aß, so lange, bis er merkte wie sein Magen sich füllte und langsam zufriedener wurde.
Dann packte er den Rest wieder ein und rannte nach Hause.
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